Hi,
seit über einem Jahr bekomme ich Besuch auf meinem Balkon von Katzen, die wohl durch Mund-zu-Mund-Propaganda herausgefunden haben, hier gibt es etwas zu essen. Durch den täglichen Kontakt habe ich schon so einiges über das Verhalten von Katzen gelernt und dachte, ich verstehe inzwischen ein wenig von Katzen. Aber dass die Katzen mich auch als eine Katze betrachten, war mir neu.
Der britische Anthrozoologe John Bradshaw hat`s herausgefundenDer Mann erklärt, dass Katzen Menschen als Angehörige der eigenen Spezies betrachten, die Wärme und Nahrung liefern. Katzen denken somit, dass auch Menschen Katzen sind. Wenn Katzen sich anschmiegen oder mit ihrem Kopf stupsen, bedeutet das nicht, dass sie Zuwendung wollen. Sondern, dass sie den Menschen als nichtfeindlichen Artgenossen empfinden.
Die moderne Katze von heute erinnere sich beim Übertreten der Türschwelle daran, dass mit ihr die lieben Artgenossen, riesengroße, nette Katzen, in einer Wohngemeinschaft hausen. Allerdings empfinden die Katzen die Menschen nicht unbedingt als besonders schlau: Anstatt mit ihnen um die Nahrung zu kämpfen, spielen die Menschen eher den Dosenöffner, den Milchspender und den Masseur. Diese Erkenntnisse bringen mich um Lichtjahre weiter.
Ich bekam immer wieder Tatzen auf die HändeWenn ich die Balkontür öffne, dann erkennen viele Katzen bereits am Geräusch, jetzt könnte es etwas zu essen geben und kommen über die Gartenlandschaft zu meinem Balkon. Ich hole die Teller rein, spüle und trockne sie, denn Katzen sollen nach meinem Verständnis aus ebensolchen Tellern essen wie Menschen. Wenn ich dann mit einem Teller Trockenfutter, einem Teller Katzenmilch-Wasser-Kombination und drei Tellern Nassfutter auf Knien über die Balkonschwelle komme, um ihnen als Gastwirt das avisierte Mahl zu kredenzen, dann erlebe ich manchmal eine eigenwillige Überraschung. Der plöde Dosenöffner kriegt auch noch einige Tatzen auf die Hände gehauen.
Ich wurde sauer, wieso verstehen sie nicht, dass ich nur das Essen liefere. Wieso hat keine Katze bislang mitbekommen, dass ich weder am Trockenfutter, noch an der Katzenmilch und ebenso wenig am Nassfutter mitesse. Jetzt weiß ich es endlich: Ich bin ja auch eine Katze.
Das Drama mit der BalkontürMein bisheriges Denken als Mensch war so ausgelegt: Geht ein Mensch zu einer Tür, will er sie aufmachen, um durchgehen zu können. Katzen denken da gaaanz anders. Der Weg zu einer Balkontür bedeutet erstmal nur, ich gehe nur zur Balkontür. So weit, so gut. Wenn die einzige von den 12 Katzen, die zu mir in die Wohnung will, gerne einige Stunden hier bleibt, wieder raus möchte, ist das eher ein Schauspiel in mehreren Akten.
Dieser graue Kater hat ein schier unendlich großes Spektrum an Lauten. Wehklagen, Jammern, Drängeln, Nörgeln – und Schnurren kann er auch, und wie. Inzwischen habe ich einen Teil seiner verbalen Kommunikation halbwegs verstanden und reagiere durch meine Laute. Aber die Nummer mit der Balkontür hat eine eigene Sprache.
Ist dieser Kater in meiner Wohnung, geht zur Balkontür, kratzt an dem davor liegenden Fußabtreter, dann will er – tja, damit beginnt immer der erste Akt. Plöd wie ich als Mensch bin, frage ich ihn, „willst du raus“? Er antwortet in seiner Sprache immer. Im Zweifel gehe ich zur Balkontür, öffne sie und sage: „Bitte, dann geh“. Noch nie ist dieser Kater beim ersten Mal sofort gegangen. Eher gelangweilt dreht er ab und macht irgendeine dieser Übersprungshandlungen. Keine 3 Minuten später das gleiche Szenario. Heftiges Kratzen am Fußabtreter, ich stehe wieder auf – the same procedure as every day.
Wenn er dann irgendwann tatsächlich rausgegangen ist, kommt es nicht selten vor, dass er kurze Zeit später wieder rein will. Auf zwei Beinen stehend pocht er an die Balkontürscheibe, meist untermalt mit heftigem Wehklagen. Fast macht es den Eindruck, dass der Kater lediglich möchte, dass endlich die Tür auf ist. Ob und wenn ja, wann er rein- oder rausgeht, ist ausschließlich seine Entscheidung. Zum Dosenöffner ist somit auch noch der Türöffner gekommen.
Ich glaub, mich holn`se abNach diesen Erkenntnissen hätte ich große Lust, beim nächsten Mal auf die Frage, wer ich bin, zu antworten: Ich bin eine Katze. Es könnte dann allerdings sein, dass seeehr freundliche Menschen mit weißen Jäckchen zu mir kommen, um mich mensch-katzen-gerecht unterzubringen. Wenn ihr also längere Zeit nichts mehr von mir lesen könnt, dann habe ich rübergemacht – zur Katzenfraktion.
Einige Monate späterEin erst scheuer Kater kam näher, es dauerte einige Monate, bis er zu mir herein kam. Und dann hier bleiben wollte - für eine kurze Zeit. Dann wollte er raus, dann wieder rein. Dieser Kater wollte unbedingt seinen Willen durchsetzen, Ich musste agieren, nicht mehr reagieren. Ich baute das Gatter nachts ab, dass als Einsprungschneise auf meinen Balkon gut war. 3 Monate war Ruhe.
Vor einer Woche hat eine Katze herausgefunden, dass es über den Strauch geht. Ich schrieb darüber. Jetzt sind sie wieder auf meinem Balkon. Essen und Schlafen gibt es aber nur unterhalb meines Balkons, damit sie sich daran gewöhnen, dass es bald gar nichts mehr gibt. Weil die Wohnanlage abgerissen wird. Schon eigenwillig, diese Begegnung.
John, der Katzenmensch.